Akut spannender Reisetag nach Santarem

Wenn man mal an einem Ort wie Alter do Chao landet, ist es schön. Aber bis man dort landet. Alter Falter. Alter do Chao ist ein Flussstädtchen nahe Santarem, sehr idyllisch mit etwas Infrastruktur. Mein Weg dorthin war recht typisch für das Fortkommen hier. Bei sintflutartigen Regen die Ihla do Marajo um 6 Uhr morgens im Boot verlassen, mit den nassen Klamotten in ein eiskaltes klimatisiertes Boot. Schlotter. In Belem noch mit der Brasilianerin schnell ein paar Sehenswürdigkeiten abgeklappert und zum Flughafen. Das Boot nach Santarem fährt aktuell nur 1x die Woche, ich muss fliegen. Das in Santarem gebuchte Hostel gibt es gar nicht, es war nur eine wenig einladende Verwaltungsadresse für eine Pousada im Regenwald. Eine tolle Überraschung am Abend. Ich übernachte im nahe gelegenen Hotel Porto Bello am Hafen, schön ist dort nichts. Zimmer ein Loch ohne Fenster, Bett noch warm vom Schäferstündchen-Paar zuvor.

Zum Essen gehe ich zu einem Kiosk, setze mich und bin unversehens in den Fängen der „Köchin“. Als sie die Hühnerschenkel zubereitet und all dieses Fett von ihren ebenso fetten Fingern rinnt, bevor sie sich damit ihre Haare richtet, suche ich verzweifelt nach einem Ausweg. Den gibt es nicht, ohne die Frau zu demütigen. Ich muss essen. Man muss wissen: Ich hatte noch vom gestrigen Salat Magenprobleme, war alleine auf dem Flughafen Belem 5x im Häuschen und hatte eben meinen Hintern erst mit Imodium akut verstöpselt. Imodium funktioniert ja wie der Teufel, muss man zugeben. Ich will sowas nicht nehmen. Aber dann erinnere ich mich an die Dame in der Werbung, die dank Imodium ihren Reiseluftballonausflug machen kann. Das überzeugt mich auch nach 20 Jahren noch. In diesem Moment wird mir auch klar, warum es in der Werbung der Luftballon sein musste. Also Durchfall in der Luft in diesem Körbchen zu haben: Erniedrigender ginge es ja wirklich nicht. Gute alte Werbeagentur-Zeit!

Entschuldigung, ich bin leicht vom Thema abgekommen.

Mit hatte eine alte Frau im nicht vorhandenen Hostel einen Bootsnamen gegeben, um in Santarem am nächsten Tag per Boot zu dieser Pousada im Wald zu fahren. Dieses Wirrwarr morgens am Hafen mit den Booten, die vollbeladen den Amazonas runter fahren werden, und den Fischhändlern ist ja unglaublich. Ich frage, werde von einem auf ein anderes Boot geführt und wieder zurück und wir hatten schon fast abgelegt, dann haben sie mich wieder vom Boot geschmissen. Ich wäre der Einzige der zu dem Ort wolle und für einen halten sie dort nicht. Das klingt brutal, aber: Alle Menschen hier sind aber sehr, sehr freundlich und hilfsbereit. Ich stand -wie einige Stunden zuvor- am Hafen und mir fiel mir der Ortsname Alter do Chao ein. So habe ich einen Bus gesucht, der dort hinfährt. Alter do Chao: Sou aqui!

Ein paar Bilder aus Santarem:

Fischmarkt Santarem – beeindruckend

Delfine schwimmen am Hafen in Santarem – und sind immer schnell abgetaucht

Es ist angerichtet

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Dann stellen wir den Tisch in die Mitte von der Sandbank und der Kellnerin sieht man schon die Lust an, immer wieder die 300 Meter von der Theke zum Kunden zu Laufen. Aber wir haben ein tolles Dinner. Und ehrlich gesagt: aktuell sind hier auf der Insel do Marajo nicht derart viele Touristen unterwegs. Meine Neu-Freunde sind Brasilianer, ich komme mir vor wie in jder WG aus Berlin Tag & Nacht. Gleiches Assi-Schrei-Niveau in etwa. Dass ich wenig verstehe, macht die Sache vermutlich manchmal schwieriger, aber öfters besser. Es gibt wieder nur Fisch oder Büffel. Was bleibt mir da übrig außer mein neues Lieblingstier zu fressen? Dazu ein Caipi und Bier, der Flüssigkeitshaushalt leidet im tropischen Klima. Die Hunde schauen mir beim Essen zu, sie mögen meine Persönlichkeit.  Dann ab zum Baden, das Wasser ist übrigens Süßwasser, ist ja der Amazonas. Was soll man sagen: Die Ihla do Marojo ist wirllich ein tolles Fleckchen Erde.

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Mein Büffel und ich

Wir besuchen die Fazenda Sao Jeronimo. Also ein riesiges Landgut, Cocospalmen und Büffel sind ihr Metier. Ich dachte, es gibt einen kleinen Rundgang, aber es ist ein riesiger Abenteuerparcour der Natur. Nach einem Marsch durch ein Stück Regenwald nehmen wir ein Kanu und fahren einen Fluß zwischen Palmen, Tucanen und sonst was runter. Die aus dem Wasser ragenden, hin und her wackelnden Mangrovenäste sehen aus wie Kobras, sehr idyllisch alles. Dann kommt das fast übliche Unwetter, als der Fluß in das große Amazonasgewässer mündet. Wir robben an einen Sandstrand,  das menschliche Plastikgrauen hat sich hier ausgekotzt.  Ich werde kurz nachdenklich und weiter geht es durch einen verwunschenen Mangrovenwald. Als ich die Wasserschlange vom Baum herabgleiten sehe, bin ich droh, dass sie mir beim Gang durchs Wasser noch nicht bekannt war. Im Mangrovenwald fand sogar mal eine Opernaufführung statt, wäre eine super Location für eine Gothic-Party. Am Ende warten Büffel, draufgesetzt und ab geht es durch Wald, Wiese und Fluss. Ich baue behutsam eine zärtliche Beziehung zu den Tieren auf und sie bringen mich sicher und durchaus unbequem zurück zur Fazenda.

Karamba Carimbó!

Auf zum Tanz: der Carimbó nach marajoanischer Art ist ziemlich cool, vor allem wenn er von Brasilianerinnen getanzt wird. Brasilianer tanzen auch super, aber die Damen haben extra fliegende Röcke. Macht optische mehr her. Ein älterer Herr glänzt mit Goldenem Zylinder, der ist allerdings ebenso aufmerksamkeitsstark. Bei Deutschen sieht der Tanz bescheiden aus.  Egel: super Musik, leidenschaftliche Trommeln, nicht so eintönig wie beim Forro. Der Weg in die Stadtpheripherie hat sich mehr als gelohnt!

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Reif für die Insel

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So stimmungsvoll bei aufgehender Sonne den Tag auf dem Amazonas zu eröffnen ist schon herrlich. Es geht auf die Insel do Marajo, westlich gegenüberliegend von Belem. Bootsfahrt, Bus, Fähre, und nach ein paar Stunden lande ich in der Stadt Soure. Die Insel ist so groß wie Belgien -habe ich gelesen- und sumpfig. Versumpfen mag ich ja, drum fühle ich mich wohl. Das Leben ist einfach, aber nicht verslumt. Die Inselbewohner sind sehr stolz auf ihre Töpferkunst und eben auf ihre Büffel, deren Käse, Fleisch. Ich esse gleich ein Büffelsteak mit Büffelkäse, nachdem ich auf dem Büffel eines Bauern saß, um danach ein paar Büffelledersandalen zu kaufen. Die schleppe ich jetzt mit mir rum, weil ich gemerkt habe, dass mein Krüppelzeh doch nicht richtig reinpasst.

Es ist mal wieder „un otro mundo“, dieses Inselleben ist ja immer derart anders als auf dem Festland. Autos gibt es wenig, Fahrrad, Moped und Büffelkutschen sind die Hauptfortbewegungsmittel. Mein Verkehrsmittel ist das Mototaxi. „Gott ist Dein Beifahrer“ steht hier immer wieder an die Hauswand geschrieben: Helme gibt es deshalb nicht, Licht vereinzelt. Aber ein wunderbares Freiheitsgefühl beim Düsen durch die Pampa.

Meine Hood

Das ist meine Hood in Belem. Unheimlich malerisch, könnte man sagen. Der Weg von meiner Pousada aus an den Fluss, so 15 Minuten, ist düster und eher abenteuerlich. Sehr verfallen sind die Gemäuer, die Nutten am Straßenrand durchaus nicht und auch die Hunde kläffen halbwegs fröhlich. Wären sie besser still, es tät mich beruhigen. Unversehens kommt mir die Frage: Sind meine Innenbänder vom Knieschlottern so ausgeleiert?

 

Ver-o-peso – der Star ist der Markt

Belem erinnert mich frappierend an Manaus. Vergangene Pracht, in Ansätzen noch erkennbar. Alles heruntergekommen und auch die Einfallstraßen mit ihren typischen Fußgängerbrücken scheinen vom selben Architekten zu stammen. Belem ist immer noch ein wichtiger Hafen und war im Kautschuk-Boom eben auch reich. 400 Jahre alt in 2016 geworden, stammt der Name Belem übrigens von Bethlehem ab. Vermutlich kommen deshalb viele Gebäude im Baustil dem dortigen Eselsstall sehr nahe.

Um den Neidfaktor klein zu halten: Es hat heute in Belem fast den ganzen Tag geregnet. Richtig geregnet, alles nass bis auf die Unterbuxe. Die letztminütige Investition in die Regenhülle für den kleinen Rucksack hat sich schon gelohnt. Prachtstück in Belem ist der Markt Ver-o-peso mit den blauen Türmen der (Fisch)Markthalle, dort wird entsprechend der Übersetzung „nach dem Gewicht geschaut“. Generell wird alles angeboten, was die Landwirtschaft und der Wald so hergeben. Ein paar Fußballtrikots aus Bangladesch gibt’s auch noch. Das Mittagessen serviert Gisela. Ihr Mann ist abgehauen oder verstorben. Ihre wegwerfende Handgeste in Richtung Himmel konnte ich nicht sicher deuten. Da gibt es doch noch leichte Sprachprobleme. Aber ich versuche mein Portugiesischwissen, Lektion 5-8 VHS München, anzubringen. Gisela kocht zweifelsohne sehr gut, sie wird sicher bald einen neuen Mann finden.

Über dem Markt sind dann auch noch Open Air Bars direkt am Wasser. Fantastische Aussicht. Fußball und Bier sind die Renner dort. Auf die Toilette rennt leider keiner, gepisst wird bestenfalls über das Geländer in den Fluss. Oder auf den Schuh. Das ist einigermaßen ernüchternd und so unschön wie es erniedrigend aussieht. 100 Meter weiter kommt dann übrigens das neue Hafengelände. So eine Art Münchner Schrannenhalle am Pier mit schickeren Restaurants und Bieren. Eine Amazon-Brauerei ist da auch drinnen. Aber gemütlicher und spannender ist‘s schon in Volksnähe.

Willkommen in Amazonien

Wenn man in den Flughafen Belem reinfliegt, ich glaube es heißt korrekter anfliegt, dann ist das schon wahnsinnig beeindruckend von oben. Wasser und Wald im Übermaß. Das Sehvergnügen des brasilianischen Regenwaldes war durchaus hart erkämpft, ein etwas unruhiger Flug. Ich kann jetzt das Vaterunser auf Portugiesisch. Die TAP-Flugesellschaft hat sich gut geschlagen, eines der besten Flugzeugessen, an das ich mich erinnern kann. Warum allerdings gibt es 1 Minibrötchen und 2 große Scheiben Käse und 3 Scheiben Wurst? Zum Einpacken? Das sind die Geheimnisse der Flugzeugküche, die ich nie verstehen werde. Zumindest den üblichen Schmierkäse, der überall klebt statt auf dem mageren Brot, habe ich nicht vermisst.

So bin ich in der Hauptstadt des Bundesstaates Para gelandet, Milionenstadt im Norden Brasiliens, das Tor zu Amazonien. Der Amazonas-Steg mit Brauerei ist teilweise herausgeputzt, der Hot-Dog-Verkäufer am Straßenrand putzte sich dagegen lautstark die Nase und versuchte verzweifelt, sein kleines Würstchen heiß zu kriegen. Es gelang mäßig, aber ich hatte Hunger. Die Moral von der Geschicht: Flugzeugessen tut lange vorhalten nicht.